Chemotherapie,  Krebs,  Mein Tagebuch,  Schöne Dinge erleben

November…

Ein Monat, der mir und meiner Familie schwer fällt

Sicherlich… anderen auch! Das möchte ich niemandem absprechen.

Aber ich möchte euch ein wenig an meinem Empfinden teilhaben lassen. Der November ist nicht nur ein dunkler, deprimierender Monat für uns alle, sondern erzählt auch, für mich, die Geschichte meiner Vaters.

Dieser Monat steht im Zeichen des „Bauchspeicheldrüsenkrebs“, auch „Pankreascarzinom“ genannt. Und in diesem Zusammenhang möchte ich euch gerne von meinem Papa erzählen, der vor 7 Jahren genau an diesem Krebs gestorben ist. Und witzigerweise, ist dieses Jahr, am 19.11.2020, der 7. Welt-Pankreaskrebs-Tag!

Die Diagnose

Wir schreiben das Jahr 2011, es war ende August – anfang September, als wir die Diagnose bekamen. Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Metastasen, Lymphknotenbefall am Hals u.a.! Man konnte sie sogar ertasten. Schon länger war für mich klar, dass er Krebs hatte. Er selber dachte es auch, hatte aber Angst vor der Diagnose. Allerdings hat er es so nie erwähnt. Ich kann es nachvollziehen. Er wollte doch noch so viel erleben. Aber mit der Diagnose wurde sein Weg eben anders. Wie bei jedem, der die Diagnose Krebs bekommt.

Seine Krebsreise beginnt im September 2011. Der Port wird gelegt, am Tag des Geburtstags meines Herzmannes. Wir hatten zuvor, als wir das Ergebnis bekamen, sämtliche Feierlichkeiten abgesagt. Es war der 40. Geburtstag und es sollte eine größere Party werden. Aber unter diesen Umständen war es erst mal nicht möglich.

Also fuhr mein Schatz meinen Papa ins Krankenhaus und der Port für die Chemo wurde gelegt. Mein Herzmann war für meinen Papa an dem Tag seine größte Stütze und dafür bin ich ihm mehr als dankbar. Denn ab sofort wehte ein anderer Wind in Sachen Krebs.

Ein paar Tage später ging es auch schon los mit der Chemotherapie. Und er vertrug sie leider nicht so gut. Übelkeit, Erbrechen, im Bett liegen stand auf der Tagesordnung. Nichts bis wenig essen können. Ein paar Tage nach der Gabe ging es wieder bergauf. Er konnte wieder essen und auch Scherze machen. Denn seinen Humor hat er niemals verloren. Er war ein Kämpfer durch und durch. Seine Stärke war niemals gebrochen.

So ging es Monat für Monat und die Zeit schritt voran. Er wollte nicht aufgeben und hatte noch einiges vor. Er und sein Cousin hatten noch ein großes Familientreffen geplant. Welches 2013 stattfinden sollte. Und auch eine Reise, eine Donaurundfahrt mit Mama, war für 2013 geplant. Dazu komme ich aber gleich nochmal.

Das Jahr 2012…

…war ein ständiges auf und ab. Mal ging es ihm gut, mal schlecht. Und oft musste er ein paar Tage auch im Krankenhaus verbringen. Die Ärzte und Krankenschwestern kümmerten sich sehr gut im ihn. Sein behandelnder Onkologen hat ihn für eine Studie in Heidelberg vorgeschlagen und Papa wäre nicht Papa gewesen, wenn er da nicht zugesagt hätte. Er meinte ‚selbst wenn es mir nicht mehr hilft, dann den Menschen, die nach mir an diesem scheiss Krebs erkranken‘!

Das war seine Einstellung. Und die liebte ich so sehr an ihm. Und ich habe es übernommen, weil mich sein Denken und Handeln so sehr beeindruckte.

Also fuhren wir nach Heidelberg. Er nahm an dieser Studie teil und wir machten uns immer einen schönen Tag daraus. Mama, Papa und ich. Zuerst zur Klinik, dann in die Stadt. Sehenswürdigkeiten angeschaut, Eis essen und spazieren gegangen, und auf dem Heimweg irgendwo noch schön essen gegangen. Wir haben aus diesen Tagen das Beste rausgeholt, was man rausholen konnte. Es war Familienzeit, Qualititime, unsere Seelen konnten Kraft tanken! Denn diese Tage kosteten uns alle auch viel Kraft.

Wir waren davon überzeugt, dass er durch diese Studie länger gelebt hat, als es normalerweise der Fall gewesen wäre. Bei Pankreascarzinom sagt man in der Regel, dass der Patient ca. ein halbes Jahr hat. Da sieht man dann auch wieder, dass die Statistik nicht auf jeden anwendbar ist. Und genau danach haben wir auch gelebt. Die Statistik war uns egal. Er wollte leben und erleben, also haben wir alles mögliche dazu beigetragen, dass er genau das machen konnte.

In diesem Jahr feierte er auch noch seinen 70. Geburtstag in einem schönen gemütlichen Rahmen. Alles passte zusammen. Aber man merkte, dass er schnell müde wurde und die Chemo schon sehr an ihm zerrte.

Leben und erleben

Oftmals musste die Chemo auch verschoben werden, da seine Blutwerte so schlecht waren. Aber wenn sie sich, nach einer Pause, wieder erholt hatten, ging es auch wieder weiter. Aber so gegen Ende Anfang des Jahres 2013 stand die Überlegung ins Haus, die Chemo zu beenden, da es ihm auch immer schlechter damit ging. Er hatte es einfach leid. Die Übelkeit, das Erbrechen, die Müdigkeit, wenig Lebensqualität… wir überließen es ihm und standen zu 100% hinter ihm und seiner Entscheidung. Er wollte die anstehende Reise, die ich oben kurz erwähnte, unbedingt unbeschwert erleben.

Gesagt getan, er setzte in Absprache mit seinem Onkologen die Chemo ab und anfangs ging es ihm auch viel besser damit. Dann kam der Moment, wo wir ihn ins Krankenhaus bringen mussten. Die Ärzte verlegten ihn auf die Palliativstation. Es ging ihm sehr sehr schlecht. Alles schön in weite Ferne zu rücken. Die Reise, das anstehenden Familientreffen… er redete vom nichts anderem mehr…

Eines Abends kam ein Anruf von der Palliativstation. Alarmiert fuhren wir hin, Mama blieb über Nacht und am nächsten Tag gab es ein Arztgespräch. Die Ärzte entschieden ihn zu sedieren, ruhig zu stellen, da sein Kreislauf und noch vieles mehr zu Versagen drohte. Der Krebs hatte weiter gestreut…

Aber die Ärzte hatten es tatsächlich hinbekommen, dass Papa nach 4 Wochen auf der Palliativstation wieder nachhause konnte. Aber seine Reise mit Mama mussten wir stornieren, das hat leider nicht geklappt. Die Ärzte waren nicht davon überzeugt, und letztendlich Papa auch nicht, dass er das schaffen würde.

Aber Papa, wäre nicht Papa gewesen, wenn er nicht doch noch ein Ass im Ärmel gehabt hätte. Eine Woche Urlaub mit Mama im Schwarzwald sollte dann der Ersatz werden und genau so haben wir es auch gehalten.

Das Familientreffen fand ebenfalls statt und es war für ihn ein großer Wunsch, der nochmal in Erfüllung ging. Bereits ein paar Jahre zuvor gab es schon mal ein großes Familientreffen. Um so mehr freute es mich für ihn, dass er das Zweite auch noch miterleben durfte.

So langsam merkte man aber, dass seine Zeit ablief. Er wurde immer schwächer und schneller müde. Ein Wochenende bei meiner Sis und ihrer Familie stand noch an. Er wollte Abschied nehmen und noch ein schönes Wochenende mit Gabi, seiner ‚Ziehtochter‘, und Familie verbringen. Er wusste, dass die Zeit knapp wurde. Aber wir hielten alle zusammen und ermöglichten ihm diesen Wunsch.

Danach ging es rasant bergab. Seine Lage verschlechterte sich zusehends. Wir machten alles, damit es ihm nur irgendwie gut ging. Nur 5 Wochen nach dem Wochenenden bei Gabi rief ich sie an, und auch seinen Bruder. Wenn sie Abschied nehmen wollten und ihn nochmal sehen wollten, dann jetzt. Und es sollte genau so kommen. Ein paar Tage später, 12.11.2013 ging Papa über die Regenbogenbrücke.

Papa starb im Kreise seiner Lieben. Wir waren alle da, so wie er es sich gewünscht hatte und auch mit uns besprochen hatte.

Ja und jetzt ist mein Beitrag heute sehr lang geworden. So ausführlich habe ich noch nie über die Krankheit und den Krankheitsverlauf meines Papas geschrieben. Der Monat November löst bei mir immer wieder die Gedanken an den Pankreaskrebs aus und daher erzähle ich diese Geschichte. Um anderen Mut zu machen und zu zeigen, dass man auch mit so einer Diagnose noch wunderschöne Momente erleben kann.

Papa sagte immer, nachdem er von der Palliativstation nachhause kam, dass die Monate danach, die Besten seit der Diagnose waren. Alles was er noch erleben durfte, hatte einen besonderen Stellenwert. Aber auch für uns, weil wir wussten, dass alles, was wir zusammen erleben, das letzte mal sein wird!

Und so haben wir uns schöne Erinnerungen geschaffen, die sich fest in unseren Herzen verankert haben. Bei jedem von uns. Die kann uns keiner mehr nehmen.

Wenn man einen Menschen tief in seinem Herzen trägt, kann man ihn nicht verlieren.

Gebt acht auf euch, bleibt gesund und schafft euch schöne Erinnerungen.

Eure Mary ?

2 Kommentare

  • pusteblume49

    Mir laufen die Tränen bei so einem Beitrag. Es ist, als wenn es gestern gewesen wäre. Tief in meinem Herzen und tief in den Herzen meiner Familie ist er geblieben und wird er auch immer bleiben. Nie werde ich dieses We bei uns vergessen. Dessen Bedeutung hat mir soviel gegeben. Unendliche Dankbar und Liebe ?????

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